Kategorie:Beizjagd

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Die hochentwickelte Form der Jagd mit abgerichteten Greifvögeln auf Feder- und Haarwild, die so genannte Beizjagd, ist wesentlicher Bestandteil der höfischen Kultur des Mittelalters und erreicht ihren Höhepunkt im Hochmittelalter. Auffällig ist, dass sich trotz des hohen Stellenwerts dieser Jagdtechnik das deutschsprachige Schrifttum zur Beschaffung, Abrichtung, Haltung und Heilung der für die Beizjagd gezähmten Greifvögel nur auf wenige zumeist anonym überlieferte Texte beschränkt.

Kurze Geschichte der Beizjagd im Mittelalter

Universitätsbibliothek Heidelberg, Codex Manesse, Cpg 848, fol. 396r (lizensiert unter CC0 1.0) https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg848/0787

Die Beizjagd war ursprünglich in Asien beheimatet, gelangte aber bereits zur Zeit der Völkerwanderung sukzessive nach Westen und war im 5./6. Jahrhundert in Europa weit verbreitet (vgl. Rösener 2004: 150f.). Vor allem die Kontakte in den Nahen Osten im Zuge der Kreuzzüge gaben der Jagd mit einem Greifvogel neue Impulse (vgl. Fietze 2004: 69). Die Jagd mit Falke, Habicht oder Sperber gehörte neben der Hirschjagd zu den Jagdarten, die sich v.a. im Hochmittelalter im Kontext der ritterlich-höfischen Kultur stark entfaltete und sich beim Adel großer Beliebtheit erfreute (vgl. Rösener 2017: 284, 1997: 141f.). Als besonders vornehm galt die Reiherbeize mit einem Gerfalken, die allein dem Hochadel vorbehalten war (vgl. Fietze 2004: 69). Besondere Bedeutung kommt der Beizjagd auch deshalb zu, weil sich bereits seit dem frühen Mittelalter die Beteiligung adeliger Frauen belegen lässt, auch mehrere hochmittelalterliche Siegel stellen adelige Frauen mit ihren Beizvögeln dar (vgl. Fietze 2004: 70, Hiebeler 1997: 188f.).

Voraussetzung für die Jagd mit dem Greifvogel war dessen Abrichtung, d.h. Zähmung und Ausbildung, die v.a. an den Höfen stattfand, äußerst anspruchsvoll war und einen enormen Zeit- und Geldaufwand mit sich brachte: Zunächst musste der Nestling oder Wildfang an Mensch und Jagdhund gewöhnt werden, erst im Anschluss daran waren erste Appellübungen und Flugtraining möglich. Mithilfe des Federspiels oder Luders, einer Beuteattrappe aus Leder mit dem aufgenähten Flügel eines Beutevogels, oder einer Schleppe, einem angenähten Balg von Kaninchen, Hase oder Fuchs, erfolgte das Einjagen auf ein bestimmtes Beutewild. Nach erfolgreich absolvierten Trainingsflügen wurde der Beizvogel dann auf lebendes Wild geworfen, d.h. von der Faust freigelassen. Das Einholen des Beizvogels gelang mithilfe von Lockrufen oder Pfiffen (vgl. Fietze 2004: 71). Aufgrund dieser aufwändigen Aufzucht und Ausbildung galten abgerichtete Beizvögel als besonders wertvoll und waren ein repräsentatives Geschenk unter Adeligen. Zahlreiche mittelalterliche Rechtstexte unterrichten detailliert über die unterschiedlich zu verhängenden Strafmaße im Kontext von Vergehen (z.B. Verletzung, Diebstahl) an den wertvollen Beizvögeln (vgl. Roeder 1913-1915: 7).

Schon im Mittelalter wurden zwei Techniken der Beizjagd unterschieden: die Beize im ‚niederen Flug‘ und die Beize im ‚hohen Flug‘. Beim ‚niederen Flug‘ wird direkt von der Faust des Beizjägers gebeizt, d.h. der Beizvogel wird direkt auf die Beute (z.B. Rebhuhn, Wachtel, Kaninchen) geworfen und verfolgt diese im horizontalen Gleitflug. Demgegenüber stürzt sich der Beizvogel beim ‚hohen Flug‘ im Sturzflug auf das i.d.R. hoch- und oftmals schnellfliegende Flugwild (z.B. Reiher, Kranich, Wildgans). Während Falken bevorzugt in übersichtlichem Gelände eingesetzt werden, sind Habichte und Sperber für jedes Gelände geeignet (vgl. Fietze 2004: 72, Rösener 2004: 163f.). In der Regel wird neben dem Greifvogel ein ebenfalls abgerichteter Jagdhund, der sog. Beizwind, eingesetzt, der am Boden mit dem Beizvogel zusammenarbeitet und ihn unterstützt.

Im Vordergrund der Beizjagd standen keine wirtschaftlichen Interessen, sondern der Adel nutzte die technisch anspruchsvolle Jagdart „zum Zeitvertreib, zur Erholung und zur Körperertüchtigung“ (Lindner 1940: 253). Daneben erfüllte die Beizjagd für den Adel v.a. auch „repräsentative, integrierende und erzieherische Funktionen“ (Medrow 2008: 18). Bei der Beizjagd, die i.d.R ein gesellschaftliches Ereignis war, konnten Reichtum und Gastfreundlichkeit unter Beweis gestellt sowie Kontakte gepflegt und geknüpft werden.

Deutschsprachige Fachliteratur zur Beizjagd

Wenn man von den erhaltenen Übersetzungen lateinischer Vorlagen, die die Beschaffung, Abrichtung, Haltung und Heilung von zur Beizjagd gezähmten Greifvögeln thematisieren, in die Vernakulärsprache absieht, dann beschränkt sich die originär deutschsprachige Beizjagdliteratur auf nur wenige Texte, zu denen neben der Älteren deutschen Habichtslehre, der Jüngeren deutschen Habichtslehre und dem Beizbüchlein auch die Wiener und die Heidelberger Falkenheilkunde sowie Eberhard Hicfelts Aucupatorium herodiorum gezählt werden können (vgl. Giese 2003).

Diese zumeist anonym überlieferten Texte zur Beizjagd beanspruchen sowohl auf der inhaltlichen als auch der sprachlichen Ebene besonderes Interesse: Sie zeigen inhaltlich allesamt einen starken Praxisbezug. Dies lässt den Rückschluss zu, dass erfahrene Falkner oder Jäger diese Texte verfasst haben. Darüber hinaus geben alle Texte einen Einblick in die mittelalterliche Beizjagd-Fachterminologie und zeigen das Bemühen einer Spezialistengruppe, das Wissen über die Jagd mit Greifvögeln nicht nur in der Vernakulärsprache zu fixieren, sondern dieses auch schichtenspezifisch weiterzugeben (vgl. Giese 2003: 496).

Literatur

  • Fietze, Katharina: Im Gefolge Dianas. Frauen und höfische Jagd im Mittelalter (1200-1500) (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 59), Köln/Weimar/Wien 2005.
  • Giese, Martina: Zu den Anfängen der deutschsprachigen Fachliteratur über die Beizjagd, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 125 (2003), S. 494-523.
  • Hiebeler, Josef: Zur Geschichte der Falknerei, in: Land Kärnten. Kulturabteilung – Kärntner Landesausstellung (Hg.): Alles Jagd. Eine Kulturgeschichte. Kärntner Landesaustellung Ferlach 1997. Katalogbuch, Klagenfurt 1997, S. 187-190.
  • Lindner, Kurt: Die Jagd im frühen Mittelalter (Geschichte des deutschen Weidwerks 2), Berlin 1940.
  • Medrow, Lisa Anna: Falkenjagd im Mittelalter, in: Mamoun Fansa/Carsten Ritzau (Hgg.): Von der Kunst mit Vögeln zu jagen. Das Falkenbuch Friedrichs II. – Kulturgeschichte und Ornithologie. Begleitband zur Sonderausstellung ‚Kaiser Friedrich II. (1194–1250). Welt und Kultur des Mittelmeerraums‘ im Landesmuseum für Natur und Mensch Oldenburg, Mainz 2008, S. 18-20.
  • Roeder, Fritz: Art. Falkenbeize, in: Reallexikon der germanischen Altertumskunde II (1913-1915), S. 5-9.
  • Rösener, Werner: Jagd, Rittertum und Fürstenhof im Hochmittelalter, in: Ders. (Hg.): Jagd und höfische Kultur im Mittelalter (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 135), Göttingen 1997, S. 123-147.
  • Rösener, Werner: Die Geschichte der Jagd. Kultur, Gesellschaft und Jagdwesen im Wandel der Zeit, Düsseldorf/Zürich 2004.
  • Rösener, Werner: Art. Jagd, in: Enzyklopädie des Mittelalters I (2017), S. 283f.

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