Fisch- und Vogelfangbüchlein des Johannes Rittershofen

Aus Artesliteratur
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Das Fisch- und Vogelfangbüchlein des Johannes Rittershofen ist ein spätmittelalterlicher Jagdtext mit dem Titel Wie man visch und vogel fahen soll. Es besteht aus 27 knappen Kapiteln, von denen 24 den Fischfang und drei die Vogeljagd anleitend behandeln. In einigen Textzeugen wird der Text um einen ‚Kalender‘ (in was zît im jâr ein iegelicher visch am besten sei) und ein ‚Gleichnis‘ (Dis ist ein schimpflich gleichnis der vische) ergänzt. Der Text ist ab 1498 in über 20 Drucken und – meist auszugsweise – in fünf Handschriften überliefert. Nach der 1916 von Rudolph Zaunick zum ältesten Textzeugen (Vgl. Zaunick 1916: 1 u.a.) erklärten Inkunabel aus Erfurt (Erfurt: Hans Sporer, 1498 (GW 5681)) wurde der Text auch Erfurter Fischbüchlein genannt. Eine Korrektur dieser Einschätzung (Zaunick 1933: 302) führte orientiert an dem vermutlich näher an einer editio princeps stehenden Überlieferungsträger (Straßburg: Matthias Hupfuff, 1498) teils zu der Bezeichnung Straßburger Fischbüchlein. Der Titel Heidelberger Fischbüchlein verweist auf die von Heinrich Grimm argumentierte Annahme dieser editio princeps des Buchführers Jakob Köbel aus der Offizin Heinrich Knoblochtzers (GW 567910N). In einer nur in späteren Frühdrucken überlieferten (zuerst Augsburg: Hans Froschauer, 1518 (VD 16 W 2578)), doch von Grimm in das Jahr 1493 datierten Widmungsvorrede Köbels an den Mainzer Domherrn Gilbrecht von Buseck gibt ersterer Johannes Rittershofen, Stadtschreiber zu Neustadt an der Hardt (jetzt Neustadt an der Weinstraße), als Übermittler des Fischbüchleins an (Grimm 1969: 2873–2876). In Rittershofen wird so der Kompilator des Textes vermutet.

Das Fisch- und Vogelfangbüchlein wurde in das Tegernseer Angel- und Fischbüchlein, das Fischbuch des Gregor Mangolt und ‚Das edle Fisch-Büchlein‘ (17. Jh.) aufgenommen. Neben dem deutschsprachigen Fischbüchlein sind ein flämisches Boecxken sowie ein französisches Livret überliefert, die beide Übersetzungen des Büchleins darstellen (Vgl. v.a. Cockx-Indestege 1969: 112–116).

Inhalt

Behandelt werden im Fischbüchlein die Herstellung und Anwendung von Toll-, Leucht- und Lockködern zum Fang bestimmter Fischarten (Aal, Äsche, Barbe, Forelle und Karpfen), von Fischen im Allgemeinen sowie von Krebsen, Vögeln und Enten. Dabei wird teils auf bestimmte Gewässertypen und Jahreszeiten eingegrenzt. Erwähnte Fangmethoden sind der Fang mit einer Fischreuse, einer Angel, einem Netz oder mit der bloßen Hand. Für die Herstellung der Lockköder werden Zutaten wie Hühner, Käse, Würmer, Egel, Reiherschmalz, Honig, Saffran und Kampfer, aber auch Menschenblut benötigt, während sich die Tollköderrezepte durch Zutaten wie Gemeine Ochsenzunge, Quecksilber oder ungelöschten Kalk auszeichnen. Die Leuchtköder funktionieren wie im Fischbüchlein vom Bodensee und dem Tegernseer Angel- und Fischbüchlein mit Hilfe von Glühwürmchen und faulem, mit Leuchtbakterien besiedeltem Holz (Bakterienlampen, Vgl. Eis 1956/1971 sowie Eis 1970/1974: 13ff.). Die Glühwürmchen sind Bestandteil einer Salbe, die die Fische zu den Händen des Fischenden locken sollen (Kap. XX), während das faule Holz mit Quecksilber in ein Glas gegeben und so in einer Reuse angebracht wird, wo es Aal und Fisch präsentiert wird (Kap. XXIV). Der Vogelfang ist Inhalt der Kapitel 9–11. In diesen kommen ausschließlich Tollköder, die die Vögel betäuben sollen, zur Sprache. Die Kapitelfolge variiert in wenigen Fällen, sodass z.B. die letztgenannten Kapitel zum Vogelfang in einzelnen Textzeugen getrennt von den Kapiteln zum Fischfang aufgeführt werden.

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Die folgende Tabelle listet die 27 Kapitelanfänge des Fisch- und Vogelfangbüchleins nach der Straßburger Inkunabel von Matthias Hupfuff (GW 5680)):

Die 27 Kapitelanfänge (Straßburg: Matthias Hupfuff, 1498)
DAs erſt Capitel wie man mit den henden // || viſch fachen ſol jnn dem waſzer.

¶ Das ij. Capitel ſagt von Karpffen vnd bar =||ben auch. El zů fahen mit dem angel.

¶ Das drit Capitel lert. Wie man forhen vnd //||eſchen mercklich fachen ſoll.

¶ Das iiij. Capitel vnderweiſzt wie man ſol die||würmlin lebendig behelt ein gantz iar.

¶ Das v. Capitel. zeigt an Ein ander kerder zů /||allen viſchen in der gemein

¶ Das vj. Capitel vnderricht zů machen ein an||der bewert kerder vil viſch zů fahen mit dem angel.

¶ Das vij. Capitel weiſt vſz Ein ander bewert||kerder viſch zů fachen mit dem angel.

¶ Das viij. Capitel lert ein ander kerder fiſch zů||fahen in allen rüſzen.

¶ Das .ix Capitel ſagt wie man vogel vnd ent||ten fochen ſol kein geſchlecht der vogel vſzgenomen.

¶ Das x. Capitel lert ein ander recept vogel v||entten zů fachen mit den henden

¶ Das xj. Capitel ſchreibt ein ander recept vog||el vnd entten zů fachen vff einen anderen ſin

¶ Das xij. Capitel an zeigt ein ander recept. Wie||man krepps vnd viſch jm meyen vnd im brachet vnd||ym Summer fachen ſoll.

¶ Das xiij. Capitel weiſzt auſz.||Des durchlüchtigſten fürſten vnd herren. Hertzog fride||richs viſchery mit vil bewerten recepten vnd puncten

¶ Das xiiij. Capitel gibt ann eyn ander recept.||barben zů fahen yn trben waſſeren oder ſunſt.

¶ Das xv. Capitel zeigt an ein ander recept alle||monet viſch zů fachen.

¶ Das xvi. Capitel lert ein ander bewert kerder||an zů ſtecken daruſz mach welgerlin wie hernach ſtat.

¶ Das xvij. Capitel weiſzt ein ander kerder. an //||zů ſtecken mach daruſz welgerlin.

¶ Das xviij. Capitel gibt an ein ander bewert||recept viſch zů fahen vſz einem wage. Oder gump da mā||ſunſt nit viſchen kan.

¶ Das xix. Capitel lert ein anď recept wie man||viſch fohen ſol uſz einem tieffē See. oder in anderē tieff||en flieſſenden waſſern die vaſt tieff ſindt mit den hendē||alle monat.

¶ Das xx. Capitel vnderricht vns Ein ander||recepte wie man im winter machen ſoll das alle viſch.||zů der handt kūmen müſſen.

¶ Das .xxi. Capitel ſchreibt. ein ander Recept.||wie man viel viſch fahen ſol in allen rüſſen.

¶ Das xxij. Capitel ſagt ein ander recept. wie //||man ein aſz machen ſoll dar mit man viel viſch fahen thůt.

¶ Das drey vndtzwentzigeſt Capitel gibt an ein||ander recept wie man El inn rüſſen fahen Sol vnd //||deren vaſt viell.

¶ Das xxiiij. Capitel lert Ein ander recept.||El vnd viſch zů fachen alwegen.

¶ Das xxv. Capitel. weiſt vſz Eyn ander re||cept wie man viel viſch fachen ſol mit dem angell.

¶ Das .xxvj. Capitel ſagt ein ander recept. als||der groſz doctor v natürlich meiſter ſchribet albertus||mangnus. in ſinem heymlichen bch wie mā viel viſch||fachen ſoll.

¶ Das .xxvij. Capitel lert ein ander recept. der||ſelb albertus lert wie mā viſch fachen ſoll. mit den hen||den.

Überlieferung

folgt

Literatur

Cockx-Indestege, Elly: Van een boekje om vogels en vissen te vangen naar een zeldzame antwerpse postincunabel, nu in de Library of Congress te Washington. In: Refugium Animae Bibliotheca (Festschrift für Albert Kolb), herausgegeben von Emil van der Vekene. Wiesbaden 1969, S.109–138.

Eis, Gerhard: Bakterienlampen im Mittelalter. In: Gerhard Eis: Forschungen zur Fachprosa: Ausgewählte Beiträge. Bern/München 1971, S. 219–222. [Zuerst erschienen in: Sudhoffs Archiv für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften 40 (1956), S. 289–294.]

Eis, Gerhard: Altdeutsche Fachschriften als Urkunden des zivilisatorischen Fortschritts. In: Fachprosaforschung: Acht Vorträge zur mittelalterlichen Artesliteratur, herausgegeben von Gundolf Keil und Peter Assion. Berlin 1974, S. 9–23 [zuerst erschienen in ZfdPh 89 (1970) S. 89–104.]

Grimm, Heinrich: Neue Beiträge zur „Fisch-Literatur“ des XV. bis XVII. Jahrhunderts und über deren Drucker und Buchführer. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 9 (1969), Sp. 1413–1446 [auch: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel – Frankfurter Ausgabe 89 (1968), Sp. 2871–2887.]

Hoffmann, Richard C.: Fisher’s Craft and Lettered Art: Tracts on Fishing from the End of the Middle Ages (= Toronto medieval texts and translations 12). Toronto/Buffalo/London 1997.

Malm, Mike: Art. „Rittershofen, Johannes“. In: Deutsches Literatur-Lexikon: Das Mittelalter, Bd. 7: Das wissensvermittelnde Schrifttum im 15. Jahrhundert. 2015, Sp. 1062–1065.

Schanze, Frieder: Art. „Rittershofen, Johannes“. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters: Verfasserlexikon. 2., völlig neu bearb. Aufl., Bd. 8. Berlin/New York 1992, Sp. 107–109.

Zaunick, Rudolph: Das älteste deutsche Fischbüchlein vom Jahre 1498 und dessen Bedeutung für die spätere Literatur (= Archiv für Fischereigeschichte: Darstellungen und Quellen; Festgabe für Emil Uhles). Berlin 1916.

Zaunick, Rudolph: Das Erfurter Fischbüchlein vom Jahre 1498. In: Mitteilungen zur Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften 32 (1933), S. 301–303.