Lehre von des Hirsches Gescheitheit und seinem Wandel

Aus Artesliteratur
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Bei der Lehre von des Hirsches Gescheitheit und seinem Wandel handelt es sich um ein spätmittelalterliches deutschsprachiges Jagdtraktat, das die Vorsuche mit dem Leithund, das Anjagen und die Zeichen des Hirsches bei der Rotwildjagd thematisiert. Zudem enthält die Lehre von des Hirsches Gescheitheit und seinem Wandel eine große Anzahl spätmittelalterlicher Waidsprüche (vgl. Lindner 1985: 667). Das Traktat zählt, wie auch die Lehre vom Arbeiten der Leithunde, zu den aus der Lehre von den Zeichen des Hirsches hervorgegangenen Derivattexten (vgl. Lindner 1964: 45).

Entstehung

Die Lehre von des Hirsches Gescheitheit und seinem Wandel ist in der Mitte des 15. Jahrhunderts entstanden. Die älteste und einzige vollständige Überlieferung des Traktates befindet sich in dem Anfang des 16. Jahrhunderts entstandenen Innsbrucker Jagbüchlein (L). Im Jägerbuch des Albrecht Retz (V) hingegen ist nur in etwa ein Viertel des in L erhaltenen Textes überliefert (vgl. Lindner 1959: 108–111). Hinter dem unbekannten Verfasser der Lehre von des Hirsches Gescheitheit und seinem Wandel wird ein Berufsjäger in gehobener Stellung vermutet, der sein aus der Jagdpraxis gewonnenes Fachwissen für andere Berufsjäger festhielt (vgl. Lindner 1985: 667). Der Verfasser der Lehre von des Hirsches Gescheitheit und seinem Wandel beherrschte die Fach- und Standessprache dabei hervorragend und bediente sich dieser bewusst, sodass kein anderer Derivattext der Lehre von den Zeichen des Hirsches so viele wissentlich angewandte Ausdrücke der Waidmannssprache enthält (vgl. Lindner 1964: 45). Lindner bezeichnet es deshalb als wertvolles Dokument zur Geschichte der deutschen Jägersprache, das die Lücke zwischen der deutschen Jagdliteratur des 14. Jahrhunderts und dem Fachschrifttum des 16. Jahrhunderts schließt. Ein Fortbestehen der Lehre von des Hirsches Gescheitheit und seinem Wandel nach dem frühen 17. Jahrhundert ist jedoch nicht feststellbar (vgl. Lindner 1985: 668).

Aufbau und Inhalt

Die Lehre von des Hirsches Gescheitheit und seinem Wandel kann in zwei Teile untergliedert werden. Im ersten Teil des Traktates sind spätmittelalterliche Waidsprüche überliefert, die auf eine feste Sprachregelung zwischen Jäger und Hund hinweisen (vgl. Lindner 1985: 667). Neben den Habichts- und Zeichenlehren zählen die seit dem 14. Jahrhundert im Schrifttum nachweisbaren Waidsprüche zu den ältesten Erscheinungsformen deutscher Jagdliteratur (vgl. Assion 1973: 127). Im zweiten lehrhafter gestalteten Teil des Traktates werden die Vorsuche mit dem Leithund und die diesbezügliche Anleitung von unterstellten Jägerknechten und Hundejungen sowie das Anjagen und die Zeichen des Hirsches bei der Rotwildjagd thematisiert (vgl. Lindner 1959: 110f).

Handschriftliche Überlieferung

Die Lehre von des Hirsches Gescheitheit und seinem Wandel ist nach derzeitigem Stand in drei Handschriften aus dem 16. und 17. Jahrhundert überliefert (vgl. Lindner 1985: 667). Die für die Handschriften verwendeten Siglen richten sich nach den von Lindner vergebenen Siglen (vgl. Lindner 1959: 108, Siglen L und V). Für die ehemals in Lindners Privatsammlung (Bibliotheca Tiliana) und heute in der Bayerischen Staatsbibliothek aufbewahrte Handschrift Cod. germ. mon. 9324 wurde die Signatur [Q] im Rahmen dieses Artikels neu vergeben.  

L Innsbruck, Universitätsbibliothek, Hs. 1008, fol. 2r–7r

Handschrift L: Innsbruck, Universitätsbibliothek, Hs. 1008, fol. 2r (aus Lindner 1959: 134 [9]).

Handschrift L (Anfang 16. Jh., dt., unbek. Schreiber) überliefert die einzig vollständige Fassung der Lehre von des Hirsches Gescheitheit und seinem Wandel. Daneben ist in der Handschrift L auch die klassische Fassung der Lehre von den Zeichen des Hirsches enthalten (vgl. Lindner 1959: 93).

Die Transkriptionen dieser Handschrift sind übernommen aus Lindner 1959: 117–127. Da kein Digitalisat der Handschrift online verfügbar ist, konnten die Transkription weder hinsichtlich ihrer Korrektheit noch in Bezug auf die korrekte Übernahme des Zeilenfalls in der Handschrift überprüft werden.

Informationen zum Codex

Handschriftencensus https://handschriftencensus.de/19224
Digitalisat -

Informationen zum Text

Beschreibstoff Pergament
Blattgröße 22,5 x 16,5 cm
Schriftraum 15,5 x 11,5 cm
Spaltenzahl einspaltig
Zeilen 30
Entstehungszeit Anfang 16. Jh. (Lindner 1959: 93) 15. Jh. (Neyer 2017: 181)
Entstehungsort Süddeutscher Raum (Neyer 2017: 181)
Schreibsprache deutsch
Schreiber/Hände eine Hand (Neyer 2017: 181)
Schrift Bastarda (Neyer 2017: 181)
Seitenumfang fol. 2r–7r
Version / Fassung L (nach: Lindner 1959: 108)
Kolophon -
Titel                       -
Incipit Item zu dem ersten: Wann du an dem morgen wilt ausß gen holtz zyehenn, so soltu die gesellen allso auffweckenn mit dem waydgschray oder drey.

(fol. 2r)

Explicit Solt ich dich aber zu holtz weysen vnnd vff der erde zaigen zu den rechten zeitten jm jar zu dreymal, weltestu dan vnuerdrossen sein vnd die sach arbaitten, so wölt jch wol ain gutten röschen gesellen vsß dir machen vnd ain gerichten guttenn jeger.

(fol. 7r)

Mitüberlieferung fol. 2r–7r Lehre von des Hirsches Gescheitheit und seinem Wandel (L)
fol. 7v–11r Lehre von den Zeichen des Hirsches
gedruckte Edition Lindner 1959: 117–127
digitale Edition -

[Q] München, Bayerische Staatsbibliothek, Cod. germ. mon. 9324, fol. 1r–7v

früher: Bamberg, Bibliotheca Tiliana (Privatsammlung Kurt Lindner), cod. Tiliana 15, 1r–7v

Handschrift [Q] (dt., unbek. Schreiber) entstammte Lindners Privatsammlung, der Bibliotheca Tiliana, die nach seinem Tod trotz gegensätzlicher Bestrebungen aufgelöst wurde (vgl. [Art.] Bibliotheca Tiliana (Bamberg). In: ProvenienzWiki - Plattform für Provenienzforschung und Provenienzerschließung). Die dort unter der Signatur cod. Til. 15 aufbewahrte Handschrift ging zunächst an die Staatsbibliothek Bamberg und gelangte später an die Bayerische Staatsbibliothek München, wo sie noch heute unter der Signatur Cod. germ. mon. 9324 aufbewahrt wird. Für die Handschrift liegen bislang weder ein Digitalisat noch Erschließungsdaten in Katalogeinträgen o.Ä. vor. Die einzige Erwähnung einer Überlieferung der Lehre von des Hirsches Gescheitheit und seinem Wandel in der Handschrift [Q] befindet sich in dem von Lindner verfassten Lexikonartikel zu dem Traktat im Verfasserlexikon (vgl. Lindner 1985: 667).

V Neuenstein, Hohenlohesches Zentral-Archiv, Hoh. B. 8/15, Jägerbuch des Albrecht Retz, fol. 12v–15r

Handschrift V (1604, dt., Schreiber Albrecht Retz), das Jägerbuch des Albrecht Retz, überliefert einen Auszug aus der Lehre von des Hirsches Gescheitheit und seinem Wandel, der etwa ein Viertel des in der Handschrift L überlieferten Textes ausmacht. Nicht überliefert sind die spätmittelalterlichen Waidsprüche aus dem ersten Teil des Traktates (vgl. Lindner 1959: 111). Zudem ist der Auszug im Jägerbuch des Albrecht Retz in eine Abschrift der klassischen Fassung der Lehre von den Zeichen des Hirsches eingebunden (vgl. Lindner 1956: 84). Der Schreiber Albrecht Retz war selbst Jäger und diente bei verschiedenen süddeutschen Herren, was aus seinem auf die didaktischen Abhandlungen zur Jagd folgenden Jagdtagebuch in der Handschrift V geschlossen werden kann (vgl. Lindner 1956: 86f).

Die Transkriptionen dieser Handschrift sind übernommen aus Lindner 1956: 191–207. Da kein Digitalisat der Handschrift online verfügbar ist, konnten die Transkription weder hinsichtlich ihrer Korrektheit noch in Bezug auf die korrekte Übernahme des Zeilenfalls in der Handschrift überprüft werden.

Informationen zum Codex

Handschriftencensus -
Digitalisat -

Informationen zum Text

Beschreibstoff Papier
Blattgröße -
Schriftraum -
Spaltenzahl -
Zeilen -
Entstehungszeit 1604 (siehe Kolophon)
Entstehungsort Süddeutschland
Schreibsprache deutsch
Schreiber/Hände Albrecht Retz (siehe Kolophon)
Schrift -
Seitenumfang fol. 12v–15r
Version / Fassung V (nach: Lindner 1959: 108)
Kolophon Ein jäger buch darin fast alle termani der jäger begriffen durch mich Albrecht Retz jäger beschrieben anno 1604

(fol. 1r)

Titel                       -
Incipit Item von einem kleinen hersch ein wenig, auch jungen hersch, zue schreiben will jch dir ein kleinen vnderricht thun.

(fol. 12v)

Explicit Nun will jch von diesser lehr lassen vnd will dir die rechten zaychen geben.

(fol. 15r)

Mitüberlieferung fol. 1r–7r Einleitende Gedichte und Gebete
fol. 7v–26v Lehre von den Zeichen des Hirsches, darin enthalten:

Lehre von des Hirsches Gescheitheit und seinem Wandel (V) (fol. 12v–15r)

fol. 27r–86v Sammlung von Waidsprüchen
fol. 87r–88r Notizen über die Jagd auf Hasen und kleines Raubwild
fol. 89r–97r Abschrift des Drucks Neuw Jag vnnd Weydwerck Buch (1582)
ohne genau Seitenangabe Im Anschluss folgt "ein sorgfältig geführtes Schußbuch, dem zahlreiche Lebensdaten des Verfassers zu entnehmen sind." (Lindner 1956: 78)
gedruckte Edition (Auszüge) Lindner 1956: 78–84, 191–207
digitale Edition -

Literatur

  • Assion, Peter: Altdeutsche Fachliteratur (Grundlagen der Germanistik 13), Berlin 1973.
  • Lindner, Kurt (Hg.): Deutsche Jagdtraktate des 15. und 16. Jahrhunderts, Teil II (Quellen und Studien zur Geschichte der Jagd VI), Berlin 1959, S. 108–112.
  • Lindner, Kurt (Hg.). Von Falken, Hunden und Pferden. Deutsche Albertus-Magnus-Übersetzungen aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, Teil I und II (Quellen und Studien zur Geschichte der Jagd VII und VIII), Berlin 1962, Teil I, S. 76ff.
  • Lindner, Kurt: Die Anfänge der deutschen Jagdliteratur (Zeitschrift für Jagdwissenschaft 10), Berlin/Heidelberg 1964, S. 41–51.
  • Lindner, Kurt: [Art.] Lehre von des Hirsches Gescheitheit und seinem Wandel. In: ²VL 5, Berlin 1985, Sp. 667­–668.
  • Neuhauser, Walter / Neyer, Rita u.a.: Katalog der Handschriften der Universitäts- und Landesbibliothek Tirol in Innsbruck, Teil 10: Cod. 951-1198 (Österreichische Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse, Denkschriften 489; Veröffentlichungen zum Schrift- und Buchwesen des Mittelalters II,4,10), Wien 2017, S. 181f, online unter: https://manuscripta.at/_scripts/php/cat2pdf.php?cat=INN10&ID=31046 [09.12.2022]
  • [Art.] Bibliotheca Tiliana (Bamberg). In: ProvenienzWiki - Plattform für Provenienzforschung und Provenienzerschließung [14.12.2022]